Mongolische Strafrechtspflege bei Totschlag
Aus dem Mongolischen Gesetzbuche um 1790
Der Sinologe Karl Friedrich von der Borg veröffentlichte, aus dem Russischen übersetzt, im Jahre 1832 in Berlin die Schrift "Denkwürdigkeiten über die Mongolei von dem Mönch Hyakinth". Hierin brachte er auch eine Abschrift des Mongolischen Gesetzbuches, welches zur Zeit Hyakinths aktuell war und nach dem die chinesische Regierung in der Mongolei noch 1832 richtete. Das Mongloische Gesetzbuch stammte aus einer Übersetzung des Gesetzbuches des chinesischen Collegiums der auswärtigen Angelegenheiten, welches etwa vierzig Jahre vor dem Druck des Borgschen Werkes publiziert worden war. Mithin stammt also das Mongolische Gesetzbuch etwa aus den 1790er Jahren.
Auf den Seiten 389-393 druckte Borg die "Siebente Abtheilung. Vom Todtschlage" ab, die hier in Abschrift mitgeteilt werden soll. Sie enthält die zu erwartenden Strafen für unterschiedliche Klassen und Schichten der Mongolie und zeigt, daß Totschlag meist mit einer entherenden Hinrichtung verbunden war, aber auch, daß Sanktionen gegen Totschlag nach dem Status des Totschlägers ausgeübt wurden.
"Artikel 1. Wenn ein Fürst oder ein Anderer absichtlich einen Menschen aus einer andern Fahne erschlägt. Wenn irgend Einer der über Fahnen gebietenden oder nicht gebietenden Fürsten einen Menschen aus einer anderen Fahne, absichtlich, aus Groll, durch eine überdachte Maaßregel oder durch Theilnahme an dem Anschlage, erschlägt: so ist er schuldig, dafür mit Leuten,, nach der Anzahl der Erschlagenen, zu büßen. Fürsten ersten und zweiten Grades sind um 100 Pferde, Böilas, Böisas und Hunen um 70, Taizsis und Tabunanen um 50 Pferde zu strafen, welche der Familie des Erschlagenen übergeben werden sollen. Sind es Gemeine, so ist dem Anstifter nach der Einkerkerung der Kopf abzuhauen; die Betheiligten, welche ihm geholfen haben, sind nach der Einkerkerung zu erdrosseln, ihr Vermögen und Vieh einzuziehen und der Familie des Erschlagenen zu übergeben; diejenigen aber, die ihm nicht geholfen, sind mit ihren Familien, ihrem Vermögen und Vieh an das Oberhaupt des benachbarten Landtags abzufertigen, um als Sklaven der mit Aemtern bekleideten Taizsis übergeben zu werden.
Artikel 2. Wenn ein Fürst oder ein Anderer mit irgend einem Werkzeug einen seiner Untergebenen oder Sklaven tödtet. Wenn einer der Fürsten und der Uebrigen mit irgend einem scharfen Werkzeug, absichtlich, aus Groll, oder in der Trunkenheit, einen seiner Untergebenen oder seiner Sklaven tödtet: so soll man einen Fürsten ersten und zweiten Grades um 40, einen Böila, Böisa und Hun um 30 Pferde, einen Taizsi und Tabunanen um dreimal neun Stück Vieh strafen, was alles den leiblichen Brüdern des Getödteten zu übergeben ist; die Familie (des Getödteten) aber soll an denjenigen Ort abgefertigt werden, an welchen sie wünscht. Falls aber Jemand unabsichtlich Einen tödtet, so ist er gehalten, mit Bemerkung der Ursachen des Todtschlages, selbst davon Meldung zu thun; und wenn keine Feindschaft Statt gefunden, so soll man die Familie des Getödteten nicht auswandern heißen. Fürsten, Böila's, Böisa's, Hunen, Taizsi's und Tabunanen sind jeder um den Gehalt von neun Monaten, und keinen Gehalt beziehende Taizsis und Tabunanen um drei Mal neun Stück Vieh zu bestrafen, welches alles in dem öffentlichen Schatz aufzubewahren ist. Wenn Jemand, vom Choschun-Tschangin bis zum gemeinen Manne herab, mit irgend einem scharfen Werkzeug, aus Groll, absichtlich, oder in der Trunkenheit, seinen Sklaven tödtet: so soll man den Choschun-Tschangin und den Möiren-Tschangin um drei Mal neun, den Tschalan-Tschangin, den Ssomun-Tschangin und den Lieutenant um zwei Mal neun, den Gemeinen um neun Stück Vieh strafen, welches der Familie des Getödteten zu übergeben ist; die Familie aber und die Brüder desselben müssen die Fahne verlassen. Jm Fall eines unabsichtlichen Todtschlages muß der Schuldige, mit Bemerkung der Ursache des Todtschlages, dem Tschassak, Böila über denselben berichten, u.s.w. Fand keine Feindschaft Statt, und er berichtet nicht: so soll das Straf-Vieh in dem öffentlichen Schatze verbleiben.
Artikel 3. Wenn Jemand im Streit einen Menschen erschlägt. Wenn ein in einem Streite schwer Verwundeter innerhalb 50 Tage stirbt: so ist der Mörder nach der Einkerkerung zu erdrosseln.
Artikel 4. Wenn Jemand beim Scherzen unvyrsätzlich einen Menschen erschlägt. Wer beim Scherzen unvorsätzlich einen Menschen erschlägt, der soll um drei Mal neun Stück Vieh gestraft werden.
Artikel 5. Wenn Jemand unvorsätzlich einen Menschen erschlägt. Ein Beamter oder ein gemeiner Mann, der unvorsätzlich einen Menschen erschlagen hat, soll, wenn er einen Augenzeugen für diese That hat, keinen Eid ablegen, jedoch um drei Mal neun Stück Vieh gestraft werden; hat er keinen Zeugen, und das Vergehen ist zweifelhaft: so ist in der Fahne des unvorsätzlichen (Mörders) ein Mann zu wählen, der den Eid ablege. Legt er den Eid ab, so soll man (den Mörder) um dreimal neun Stück Vieh strafen; leistet er aber den Eid nicht, so ist er (der Mörder) nach der Einkerkerung zu erdrosseln. Wer irgend Jemand die Augen aussticht, der soll um drei Mal neun; wer irgend Jemand die Hand oder den Fuß zerbricht, der soll um neun Stück Vieh gestraft werden. Wenn hieraus keine weitere Verstümmelung entsteht, so ist (der Schuldige) um Pferde zu strafen.
Artikel 6. Wenn ein Mann seine Frau vorsätzlich erschlägt. Wenn ein Beamter oder ein gemeiner Mann eigenmächtig und vorsätzlich seine Frau erschlägt: so soll er nach der Einkerkerung erdrosselt werden, Erschlägt, er sie unabsichtlich während eines Zwistes oder einer Schlägerei: so ist er um drei Mal neun Stück Vieh zu strafen, welches in das Haus der Schwiegermutter abgegeben werden muß. Hat die Frau durch ihre Aufführung hierzu Veranlassung gegeben, und der Mann erschlägt sie, ohne vorgangige Anzeige, eigenmächtig: so ist er um drei Mal neun Stück Vieh zu strafen; wenn er sie mit Hülfe irgend eines Werkzeuges erschießt, niederhaut, ersticht oder mit einem Stocke todt schlägt: so ist er, wie für einen vorsätzlichen Mord, nach der Einkerkerung zu erdrosseln.
Artikel 7. Wenn ein Sklave den Hernn erschlägt. Wenn ein Sklave seinen Herm erschlägt, so soll er in Stücken zerschnitten werden.
Artikel 8. Wenn Jemand einen fremden Flüchtling erschlägt. Wenn irgend ein Beamter einen fremden flüchtigen Mann erschlägt, so soll bloß der Anstifter erdrosselt werden; gehören die Mörder zu den gemeinen Leuten, so soll man den Anstifter nach der Einkerkerung köpfen. Jeden der Übrigen aber um drei Mal neun Stück Vieh strafen, welches dem Böila des Ortes zu übergeben ist. Wenn sich der Böila nicht einläßt (in diese Sache), so soll die eine Hälfte des Viehs dem Angeber übergeben werden, die andere aber im öffentlichen Schatze verbleiben.
Artikel 9. Wenn ein Fürst u.s.w. einen seiner Sklaven verwundet, oder ihm die Nase oder die Ohren abschneidet. Wenn ein Fürst u.s.w. einen seiner Sklaven durch einen Bogenschuß oder mit einem andern Werkzeuge verwundet, oder ihm die Nase oder die Ohren abschneidet: so soll man über Fahnen gebietende oder nicht gebietende Fürsten ersten und zweiten Grades um fünf Mal neun, einen Böila, Böisa und Hun um vier Mal neun, einen Taizsi und Tabunan um drei Mal neun, einen Beamten um zwei Mal neun, und einen Gemeinen um neun Slück Vieh strafen. Wenn aber der Tod hierdurch erfolgt: so ist darüber zu richten, wie wegen eines Mordes aus Vorsatz und Groll.
Artikel 10. Wenn Jemand in einer Schlägerei einen Ändern im Auge verwundet, oder ihm die Hand oder den Fuß zerbricht. Wer in einem Streit oder einer Schlägerei einem Andern das Auge beschädigt, oder ihm die Hand oder den Fuß zerbricht, der soll um drei Mal neun Stück Vieh, zieht die Sache aber keine üble Folgen nach sich, um neun Stück Vieh gestraft werden. Wenn er einem Weibe das Kind vom Arme wirft, so ist er um neun Stück Vieh zu strafen. Wenn er mit den Fäusten oder einer Peitsche zuschlägt, so soll man ihn um fünf Stück Vieh strafen. Wenn er in wechselseitiger Schläge, frei und ohne Ursache Jemand Zähne ausschlägt, so soll man ihn um neun Stück Vieh strafen. Wenn er ihm den Zopf ausreißt, oder den Büschel vom Hute reißt: so ist er um fünf Stück Vieh zu strafen."
© Verfasser dieses Aufsatzes: Claus Heinrich Bill